Dem Glücklichen, sagt man, schlägt keine Stunde. Vielleicht haben Sie es ja schon erlebt: Sie folgen schreibend ihren Gedanken und ringen um die passenden Worte. Kein Radio, keine Mails. Vielleicht haben Sie vergessen, die Heizung anzustellen und nicht einmal gemerkt, dass Sie frieren. In der Kaffeetasse dümpelt einsam ein Rest des heißgeliebten Getränks. Und wo ist eigentlich das Handy?
Es ist dieser Zustand, der mit dem Begriff „Flow“, Selbstvergessenheit oder „im Hier und Jetzt sein“ bezeichnet wird. Gedanken, Gefühle, Worte und Sätze fließen. Sie müssen nichts tun – rein gar nichts, außer aufzuschreiben, was Ihnen durch den Kopf geht. Selbsterkenntnis breitet sich aus wie süßer Tau. Nichts liegt Ihnen ferner als darüber nachzudenken, was andere von Ihrem Text halten oder ob Sie damit einst Geld verdienen werden.
Im Flow verschwindet die Illusion von Zeit
Wenn Sie regelmäßig schreiben, werden Sie diesen Zustand als eine positive Form von Sucht erleben. Er wird Sie anziehen wie eine verwunschene Insel. Aber das ging schon anderen so.
Franz Kafka schrieb seine Erzählung „Das Urteil“ in einer einzigen Nacht nieder und berichtete von rauschhaften Glückszuständen. Er beschrieb eine Vater-Sohn-Beziehung, die für beide tödlich endet. Warum konnte ihn das glücklich machen? Dem Werk liegt ein selbst durchlebter, schmerzhafter Konflikt zugrunde, der Kafkas Leben und Persönlichkeit nachhaltig geprägt hatte. Versuche mit seinem Vater zu reden, waren gescheitert. Dieser warf ihm Kälte, und Undankbarkeit vor und verurteilte ihn und alles was er tat. Es war ihm nicht zu vermitteln, dass er, der Vater, daran seinen Anteil trug. Kafka schrieb es sich von der Seele. Es ging um nichts weniger als um sein Leben. Er fand psychische Entlastung durch Projektion seines Problems in die Protagonisten und rauschhafte Glückszustände im nächtlichen Flow.
Vielleicht ziehen wir nach einer Zeit selbstvergessener Beschäftigung die Rollläden hoch und blinzeln in den trüben Morgen. Da ist er, der Tag, und er hat ganz ohne uns angefangen. Wir waren weg – hin und weg könnte man sagen. Alles, was wir heute wirklich tun wollten, ist getan. Jetzt kommen die Nebensachen.
Kafka im Flow: Das Urteil
Jener Text, den Kafka wie im Rausch niederschrieb, handelte von seinem ganz persönlichen Problem, das er jedoch, wie sich zeigte, mit vielen Menschen seiner Generation teilte. Dem Problem lagen die Konflikte einer patriarchalisch organisierten Gesellschaft zu Grunde. Kafka hat über sich und seinen Vater geschrieben, über sein tief empfundenes, persönliches Leid. Aber es war das Leid seiner Generation und das Leid eines ganzen Jahrhunderts, das er im Kunstschaffen verewigte. Auf dem Wege der Veröffentlichung konnte er sich wieder mit dem Kollektiv verbinden.
Achten Sie jeden Ihrer Gedanken, jedes Ihrer Gefühle, denn Ihr scheinbar individueller Flow ist Teil der großen Kette von Ursachen und Wirkungen, die wir als die Welt beschreiben. In jedem Gedanken, jedem Gefühl manifestiert sie sich. Der Dualismus zwischen „Innen“ und „Außen“ ist eine Illusion. In Wahrheit gilt: Alles ist Welt.
Alles ist Welt, auch Deine innersten Gefühle. Alles ist aus äußeren Bedingungen entstanden und existiert nur in Abhängigkeit von diesen Bedingungen.
Herzlicher Gruß
D.H. Ludwig, der Sinnsucher von Schreibrausch
Hier ein schöner Beitrag über günstige Bedingungen für einen Flow von Romywinter
…und hier von Rhiannon:
Herzlichst, D.H. Ludwig, der Sinnfinder von Schreibrausch.
Ich schreibe für Sinnsucher, Schriftsteller, Blogger und Texter, gebe Kurse in Kreativem Schreiben und Webpublishing. Die Themen reichen von der Charakterisierung über Dialoge, Plotten und Überarbeiten bis zu Hilfestellung bei Veröffentlichung, Web-Publishing und SEO. Weiter beschäftigt mich, was das Schreiben mit uns macht, wie es zur Entwicklung beiträgt, wie es unser Leben mit Sinn erfüllen kann. Humor kommt dabei nicht zu kurz. Über Deine Fragen, Nachrichten und Kommentare freue ich mich.
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Erfahrungen mit Liebscher und Bracht Das schreibt die Presse
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